Bis zum 20. Lebensjahr ist die Invalidenversicherung (IV) Kostenträger für die medizinischen Behandlungen bzw. Leistungen. Ab dem 20. Lebensjahr ist für all diese Leistungen die Krankenkassen (KK) zuständig.
Das heutige IV-System der ‚Geburtsgebrechen‘ vermag leider viele, insbesondere seltene Krankheiten nur unvollständig abbilden.
Die behandelnde Ärztin / der behandelnde Arzt beantragt bei der IV das ‚Geburtsgebrechen 387‘ (Gg 387) und falls das Kind – wie typischerweise beim Dravet-Syndrom – eine sogenannte celebrale Bewegungsstörung hat auch das ‚Geburtsgebrechen 390‘ (Gg 390). Sprechen Sie Ihre Ärztin/Ihren Arzt darauf an, wenn Ihr Kind an einer Gangataxie (Gangunsicherheit) leidet und diese/r für Ihr Kind das ‚Gg 390‘ noch nicht beantragt hat. Ohne Gg 390 ist die Wahrscheinlichkeit sehr gross, dass die IV die Kostenübernahme z.B. von Hippotherapie, Orthesen und Windeln erst einmal ablehnt. Mehr zum Gg 390 finden Sie auch in unserem geschützten Mitgliederbereich.
Bei den Steuern können Eltern eines Kindes mit einer Behinderung – abhängig von der Höhe der Hilflosenentschädigung – einen Abzug von krankheits- und behinderungsbedingten Kosten geltend machen.
Überblick über die Leistungen
Medizinische Behandlungen
Bei Kindern mit einem von der Invalidenversicherung (IV) anerkannten Geburtsgebrechen übernimmt die IV die Funktion einer Krankenkasse und ist zuständig für die Bezahlung aller mit dem Geburtsgebrechen zusammenhängenden Behandlungskosten. Nach dem vollendeten 20. Altersjahr ist nur noch die Krankenkasse zuständig.
Hilfsmittel
Informieren Sie sich über Hilfsmittel, welche die Anfallsschwelle Ihres Kindes in bestimmten Situationen senken können sowie Hilfsmittel, die es Ihnen ermöglichen, es zu überwachen. Hilfsmittel, welche andere Familien als hilfreich empfunden haben sind zum Beispiel: Kühlwesten für die Sommerhitze, speziell getönte Gläser (Spezialbrillen) für die Lichtempfindlichkeit, Anfallsmonitore, Pulsoxymeter, Sauerstoff (für stark zyanotisch werdende Kinder, die nicht in Spitalnähe wohnen), Kameras im Kinderzimmer und Rehabuggies. Auch Windeln und Orthesen gehören zu den Hilfsmitteln. Jede Kostenübernahme muss schriftlich beantragt werden. Hilfsmittel werden bis zum Alter von 20. Jahren von der IV übernommen, danach von der Krankenkasse.
Hilfslosenentschädigung, Intensivpflegezuschlag
Wenn ein Kind in alltäglichen Lebensverrichtungen wie Ankleiden, Essen, Körperpflege usw. dauernd auf die Hilfe dritter Personen angewiesen ist, kann es eine Hilflosenentschädigung der IV beantragen. Angerechnet wird auch eine dauernde Pflege oder persönliche Überwachung. Die Höhe der Hilflosentschädigung ist abhängig vom Grad der Hilflosigkeit (leicht, mittel, schwer). Für Kinder, die aufwändige Betreuung benötigen, kann zusätzlich zur Hilflosenentschädigung ein Intensivpflegezuschlag ausgerichtet werden.
Assistenzbeitrag
Mit dem Assistenzbeitrag der IV können Menschen mit einer Behinderung bzw. deren gesetzliche Vertreter/innen Personen anstellen, die sie im Alltag zu Hause unterstützen. Die Assistentinnen und Assistenten werden direkt von der behinderten Person (resp. den Eltern) angestellt. Für einen Assistenzbeitrag muss das Kind eine Hilflosenentschädigung der IV beziehen und darf nicht mehrheitlich in einer Institution übernachten.
Procap informiert auf ihrer Website ausführlich über den Assistenzbeitrag
Frühförderung, Logopädie
Für die heilpädagogische Frühförderung sowie die Logopädie sind die Kantone zuständig.
Therapien
Für Therapien wie Ergotherapie, Pyhsiotherapie, Hippotherapie und Psychotherapie ist bis zum vollendeten 20. Lebensjahr die IV zuständig, danach die Krankenkassen.
Berufliche Eingliederung (Ausbildung)
Die IV unterstützt die berufliche Eingliederung mit zahlreichen Leistungen wie Übernahme von Ausbildungskosten, Ausrichten von Taggeldern, Hilfe bei der Arbeitssuche, finanzielle Unterstützung von Arbeitgebern (z.B. teilweise Lohnübernahme bei der Einarbeitung oder bei einem Praktikum).
Urlaub für Eltern von schwer erkrankten oder verunfallten Kindern (Neues Gesetz per 1.7.2021)
Per 1. Juli 2021 wurde der bezahlte maximal vierzehnwöchige Urlaub für Eltern von schwer erkrankten oder verunfallten Kindern in Kraft gesetzt.
Erwerbstätige Eltern von minderjährigen Kindern, deren Gesundheitszustand sich einschneidend verändert hat, so dass der Verlauf oder Ausgang dieser Veränderung schwer voraussehbar ist oder mit einer bleibenden Beeinträchtigung zu rechnen ist, haben Anspruch auf einen Betreuungsurlaub von 14 Wochen. Die notwendige Betreuung, Pflege und Begleitung muss so aufwändig sein, dass die Erwerbstätigkeit von einem Elternteil unterbrochen werden muss. Während der Abwesenheit vom Arbeitsplatz werden EO-Taggelder ausgerichtet.
Inwiefern dieser Urlaub für Eltern mit einem Kind mit Dravet-Syndrom angewendet werden kann, ist noch nicht klar. Procap schreibt anfang Juli 2021, dass wie immer bei neuen Leistungen noch vieles unklar sei. Insbesondere, da das Antragsformular noch nicht online sei. Der Begriff der einschneidenden Veränderung könnte dazu führen, dass nicht vom Betreuungsurlaub profitiert werden kann.
Im Zweifelsfall empfiehlt Procap, die Anmeldung zu machen. Den Entscheid könne die Rechtsberatung von Procap anschliessend prüfen.
Procap Merkblatt Betreuungsurlaub
Unser Tipp: Im Procap-Ratgeber „Was steht meinem Kind zu?“ (6. Auflage, 2022) finden Sie alles Wichtige rund um Sozialversicherungen beschrieben, inkl. Bespielen. Dieses Buch empfehlen wir jeder Familie.